Pressetext in den „Nordhorner Nachrichten“ vom 11. August 1939:
Eine Kulturstätte von eindrucksvoller Schönheit und Harmonie
In der nächsten Woche Westwall-Film im Beiprogramm — Marika Rökk kommt zu Besuch.
Heute Abend wird in einem schlichten Festakt der Capitol-Neubau an der Neuenhauser Straße eröffnet. Aus Anlass der Fertigstellung des Neubaus hatte unser Schriftleiter eine Unterredung mit dem Inhaber, bei welcher Gelegenheit er sich von der vortrefflichen Anlage überzeugen konnte. Ein Heer von Handwerkern ist seit Wochen Tag und Nacht beschäftigt, das Lichtspieltheater fristgemäß herzurichten. Der Neubau dieser großzügigen Kulturstätte bedeutet für das Stadtbild Nordhorns eine schöne Bereicherung, zumal er sich in seiner klaren Front dem Straßenzug recht unaufdringlich einfügt. Den Theaterraum, über dem eine abgeschlossene Wohnung eingerichtet ist, erreicht der Besucher durch einen geräumigen Vorraum mit Kassen- und Garderobenraum (sowie den Eingängen zu den unterirdischen Aborten). Er wirkt durch seinen wenigen Schmuck, seine geschickte Beleuchtung aus stilvollen Lampen außerordentlich ansprechend. Der ganze große Bau ist licht, hell, freundlich und mit seiner modernen Einrichtung geeignet, unserem kulturellen Leben eine tiefere Wirkung zu ermöglichen.
Unsere Leser mögen uns auf unserem Rundgang durch das neue Capitol begleiten und sich selbst ein Bild von der Schönheit und Zweckmäßigkeit des Neubaus machen.
Das neue Capitol, dessen Inhaber der Kaufmann Johannes Mertens ist, ist der erste Zweckbau der Grafschaft und des Emslandes. Seine gediegene Planung fand die Zustimmung der Reichsfilmkammer und der Dienststellen des Reichspropagandaministeriums. Vor einem Jahr sind die Vorarbeiten für den schmucken Bau in Angriff genommen worden. Unsäglicher Mühe und Kleinarbeit bedurfte es, bis das Capitol in seiner jetzigen Gestalt entstehen konnte. Der Grundriss, der den überlegenen Könner verrät, stammt von unserem Stadtbaumeister Krieger. Nach seinem Plan hat Architekt Pg. Probst den weiteren Entwurf fertiggestellt und die Bauleitung geführt. Durch diesen reifen Bau, durch die vornehme und ruhige Gestaltung des weiten Theaterraumes, hat sich Pg. Probst in die erste Reihe unserer heimischen Bauschaffenden gestellt.
Die umfangreichen Maurerarbeiten hat die Firma H. Gervink & Co. besorgt. Ihre Bauarbeiter haben, wie alle Nordhorner Handwerker, saubere Arbeit geleistet, die jeglicher Kritik standhält. In die Zimmererarbeiten teilten sich die Firmen J. Haverkamp und Leferink. Die prächtigen Türen entstammen der Werkstatt von Hermann Buitkamp. Die schwierigen Dachdeckerarbeiten haben dem jungen Unternehmer Peujn den Meisterbrief eingetragen. Die Anstreicherarbeiten wurden wiederum drei Firmen übertragen, und zwar den Meistern Geerligs, Diekhuis und Runge. Alle Polsterarbeiten hat Meister Wilhelm Sonne ausgeführt. Die prächtigen Stoffe für die Wandbespannung lieferte die hiesige Industrie. — Bemerkenswert ist der eigene Parkplatz neben dem Neubau.
Was die behagliche Inneneinrichtung angeht, so ist auch hier Wert darauf gelegt, dass alle Farben wohl aufeinander abgestimmt sind und sich insgesamt ein Raum von wunderschöner Harmonie und Geschlossenheit ergibt, in dem sich jeder Gast gern aufhalten wird. Jeder Klappstuhl, feinstes sächsisches Fabrikat, ist gepolstert und mit blauem Genua-Cord bespannt, und zwar in einer Anzahl, die doppelt so groß ist wie die Sitzplätze, über die das alte Capitol verfügte. Der Fußboden hat Parabelführung, das heißt, jeder Besucher hat von erhöhtem Sitz freien Blick auf die 45 Quadratmeter Bildfläche. Parabelführung bedeutet ebenfalls den Fortfall aller störenden Stufen. Der Saal hat selbstverständlich eine doppelte Entlüftung und neben der Zentralheizung (Firma Haubrich) eine Klimatisierungsanlage erhalten. Sie ermöglicht im Sommer die regelmäßige Beschickung des Zuschauerraumes mit eisgekühlter und im Winter die Zufuhr von frischer Luft. Die Beleuchtungskörper im Theaterraum und in allen Vorräumen sind von erlesenem Geschmack, sind blattvergoldet und stellen beste und exakteste Handarbeit eines münsterischen Meisters der Schmiedekunst dar. Auf der Bühne wird das Auge zunächst von dem farbenprächtigen Vorhang in Fleischrot gefesselt, der elektrisch und völlig geräuschlos bedient wird. Wenn er von 22 Leuchtkörpern angestrahlt wird, ergibt sich ein feenhaftes Bild. Vom Vorraum erreichbar sind die hygienisch einwandfreien Aborteinlagen, die die Firma ten Brink aufstellte.
Der Vorführraum wird durch einen gesonderten Aufgang erreicht. In ihm sind zwei Vorführmaschinen des Fabrikats Bauer aufgestellt, die eine pausenlose Vorführung garantieren. Die Männer der Ufa, erfahrene Fachleute, sind gerade bei unserem Besuch mit der letzten Überprüfung der empfindlichen Apparatur beschäftigt. Liebenswürdigerweise versuchen sie, uns Laien den Vorgang zu erklären, und wir erfahren, dass bei dieser Apparatur jegliche Brandgefahr ausgeschlossen ist. Die Maschinen sind luftgekühlt. Interessant ist, dass das neue Becklicht, eine spezielle Lichtquelle, dem normalen Licht um das Drei- bis Sechsfache überlegen ist, wodurch der Film und seine Bilder weitaus plastischer erscheinen. Eine automatische Vorrichtung regelt die Lichtstärke und verhindert jegliches Schwanken derselben. Die Tonfilmapparatur ist neu und stellt die vollkommenste Einrichtung dar, die gegenwärtig gebaut wird. Es ist eine Lautsprecherkombination verwendet worden, die geradezu verblüffend arbeitet.
Es sind zwei Lautsprecheranlagen geschaffen und miteinander verbunden, von denen der eine Lautsprecher zur Wiedergabe tiefer, der andere zur Wiedergabe hoher Töne dient. Damit besonders die hohen Töne zu jedem Hörer im weiten Raum dringen, ist der Schalltrichter des einen Lautsprechers in zwölf nach verschiedenen Richtungen gestellte Schalltrichter unterteilt. Die Wirkung der Apparatur ist einzigartig und befriedigt ganz gewiss auch empfindliche und kritische Ohren.
Neben dem Vorführraum liegt der Raum mit den umfangreichen Schaltanlagen, durch die sich nur der geübte Fachmann hindurchfinden kann. Das ist das Herz des Betriebs. In einem dritten Raum ist die Notbeleuchtungsanlage untergebracht. Erstaunlich ist, dass alle Geräte doppelt aufgestellt sind, sodass bei einer Störung des einen sofort auf das andere Gerät umgeschaltet werden kann. Sollte die Stromversorgung des Werkes gestört werden, sorgt eine eigene Stromquelle der Akku-Anlage für Licht- und Kraftstrom. In allen Räumen, deren Fenster sich bei Überdruck selbst öffnen, ist der Forderung nach Schönheit der Betriebs- und Arbeitsräume weitestgehend Rechnung getragen.
Alle Sicherheits- und Beleuchtungsvorrichtungen, die für ein neuzeitliches Lichtspielhaus vorgeschrieben sind, sind eingebaut. Zweifellos wird auch die Einrichtung von drei Schwerhörigenanlagen besonders begrüßt werden.
Der Inhaber des Capitols, das in seiner vollkommenen Einrichtung und in seiner schlichten, aber ungemein eindrucksvollen Innenausstattung jeder Großstadt zur Ehre gereichen würde, versicherte uns zum Abschluss unseres Besuchs, dass im Laufe der kommenden Monate die Spitzenfilme der Ufa und Tobis gezeigt würden. Anfang September werden die Nordhorner Filmfreunde die Freude haben, die charmante Marika Rökk in Lebensgröße unter sich begrüßen zu können. Im Laufe des Winters wird eine Reihe von weiteren Filmlieblingen Nordhorn einen Besuch abstatten, um sich einmal ihren Nordhorner und Grafschafter Freunden zu zeigen, mit ihnen über ihre Arbeit zu plaudern und sich von ihnen feiern zu lassen.
Leider konnte zur Eröffnung eine Kopie des Films „Unser wehrhaftes Volk — Der Westwall“ nicht beschafft werden, aber er wird ganz sicher in der kommenden Woche im Hauptprogramm des Capitols gezeigt. Schließlich wird insofern eine Neuerung geschaffen, als von September an die Pforten der neuen Kulturstätte schon nachmittags um 5 Uhr geöffnet werden, um allen Volksgenossen zu ermäßigten Preisen auch die besten Filme deutscher Filmkunst vorführen zu können. Filme, die zu dem Schönsten und Besten zählen, was deutsche Künstler überhaupt geschaffen haben (beispielsweise „Robert Koch“ mit Emil Jannings, der gerade in diesen Tagen in Venedig unter ungeheurem Beifall weltweit uraufgeführt wird, und „Es war eine rauschende Ballnacht“ mit Gisela Leander und „Kadetten“ von Professor Karl Ritter).
Wir verabschiedeten uns mit dem Wunsch, dass das neue Capitol stets eine Stätte deutscher Kunst und nationalsozialistischer Gemeinschaft sein möge.